Unter dem Titel „Säure-Basen-Messungen in der naturheilkundlichen Praxis – Überprüfung von Reliabilität, Validität und klinischer Relevanz“ führte das KoKoNat eine Studie durch, an der unter der Leitung von Prof. Dr. Melchart die KoKoNat Mitarbeiter W. Doerfler und Dr. Eustachi als Prüfärzte sowie Frau Streitwieser als study nurse maßgeblich beteiligt waren.
Hintergrund
Die Säure-Basen-Analyse gilt als ein häufig angewandtes Verfahren in der naturheilkundlichen Praxis. Als mögliche Folgen einer inadäquaten Säure-Basen-Regulation werden Beschwerden wie Müdigkeit, Unruhe und Muskel- und Gelenkbeschwerden vermutet. Therapeutisch werden u.a. Änderungen des Lebensstils (Ernährung, Bewegung, Stressmanagement) oder Basenpräparate empfohlen. Eine chronische Übersäuerung wird verdächtigt, die Entstehung von u.a. chronischen Entzündungen, Arteriosklerose, Arthrose, Osteoporose oder Tumoren zu begünstigen.
Derzeit existiert keine Evidenz bezüglich des wissenschaftlich sinnvollen Messverfahrens zur Säure-Basen-Analyse. Es ist unklar, ob eine Abweichung von den Normwerten eine klinische Relevanz hat und ob die Gabe von z.B. basischen Substanzen sinnvoll ist. Gegenstand der Studie ist die Blut-Titration nach Jörgensen und van Limburg Stirum zur Bestimmung der pH-Wert-Pufferkapazität des Blutes.
Fragestellung
Überprüfung des Messverfahrens auf Reliabilität, (d.h. Stabilität des Messvorgangs bzgl. der Blutprobenentnahme, Stabilität des Messvorgangs an einer gegebenen Blutprobe), Hinweise auf Validität (Vergleich mit Lactat-Messungen, Standardlabor, Urin-pH-Profil) und Untersuchung zur klinischen Bedeutung hinsichtlich bestehender Diagnosen.
Methodik
Venöse Säure-Basen-Bestimmung: Messung des pH-Wertes einer Blutprobe unter fraktionierter Zuführung von Salzsäure (ein schnelles Absinken des pH-Wertes wird als chronische Säurebelastung interpretiert). Die Untersuchung erfolgt im Blutplasma und Vollblut getrennt, um den Säurezustand innerhalb der Zelle zu erfassen. Weiterhin werden erhoben: Lactat, Urin-pH über 24 Stunden, Hämoglobin, Hämatokrit, Blutzucker, Triglyceride, Gesamtcholesterin, HDL-, LDL-Cholesterin, C-reaktives Protein.
Kollektiv und Ein- und Ausschlusskriterien
Gruppe 1 (n=50): gesunde Probanden (Alter zwischen 18 und 30 Jahren).
Gruppe 2 (n=100): Patienten (Alter > 18 Jahre), mit fachärztlich gesicherter Diagnose „Chronisch-entzündliche Darmerkrankung“ oder „Rheumatoide Arthritis“, jeweils mit den Untergruppen von Patienten im klinisch-akuten Schub bzw. im sub-akuten Zustand. Ausschlusskriterien für alle Studienteilnehmer: Akuter Infekt in den vergangenen 14 Tagen, Alkoholgenuss innerhalb 48 Std. vor Blutuntersuchung.
Untersuchungen
Reliabilität des Mess-/Titrationsvorgangs, Reliabilität der Säure-Basen-Analyse bei wiederholter Blutentnahme, Vergleich der Messwerte des pH aus venöser Säure-Basen-Bestimmung, Lactat, pH im Urin und Standardlaborparameter. Vergleich der Serum- und Blut-pH-Messwerte aus der ersten Untersuchung zwischen den verschiedenen Untersuchungsgruppen.
Ablauf
Nach Aufklärung und Vorliegen der Einverständniserklärung erfolgt bei beiden Gruppen die Blutentnahme nüchtern am Vormittag. Bei Gruppe 1 erfolgt über drei Tage eine Messung des Urin-pH sowie zwei Tage nach der ersten Blutentnahme eine erneute Blutentnahme.
Statistische Analyse
Für den Vergleich der Messungen aus identischer bzw. wiederholter Blutprobe werden 95%-Vertrauensintervalle der Differenzen gebildet und anhand unterschiedlicher Äquivalenzkriterien bewertet. Zusätzlich werden Korrelationsanalysen zur Prüfung der Straffheit des Zusammenhangs durchgeführt.
Primäre Prüfgrößen der Säure-Basen-Analyse sind der pH-Wert sowie die Pufferkapazität in Vollblut und Plasma. Für den Vergleich der Probanden mit den Patienten werden t-Tests für unabhängige Stichproben eingesetzt. Die statistische Auswertung der Daten geschieht mithilfe einschlägiger Programmpakete.
Die Studie wurde von der Ethik-Kommission der Med. Fakultät der TUM begutachtet und die ethisch-rechtliche Unbedenklichkeit bestätigt. Der Studienteil mit der Probandengruppe ist abgeschlossen und konnte im Jahr 2016 im European Journal of Integrative Medicine und in der Zeitschrift ZÄN 2017 publiziert werden (s. Publikationen).